Mittwoch, 14. September 2011

Studie: Pflegebedürftigkeit ist größte Angst der Deutschen

Vor nichts haben die Deutschen mehr Angst als vor Pflegebedürftigkeit: Für 82 Prozent ist die Vorstellung, einmal auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, mit Abstand die größte Sorge für die persönliche Zukunft. Entsprechend sehen die Menschen auch in diesem Punkt sehr großen Vorsorgebedarf. Nur: Für nichts wird in Deutschland so wenig finanziell vorgesorgt wie gerade für den Pflegefall. Zu diesem Ergebnis kommt die „Continentale-Studie 2011“, die auch die Ursachen für diesen Widerspruch ermittelt hat. Denn der Grund dafür, dass nur zwei Prozent der Bevölkerung eine private Pflegezusatzversicherung haben, ist eine Mischung aus unbegründetem Optimismus und fehlender Informiertheit.

Seit geraumer Zeit steht das Thema „Pflegeversicherung“ regelmäßig auf der Agenda der politischen Debatten. Ein Grund für die Continentale, diese Problematik in der aktuellen „Continentale-Studie 2011“ schwerpunktmäßig zu betrachten. Die Ergebnisse sind deutlich: Mit insgesamt 82 Prozent ist die Pflegebedürftigkeit die größte Angst der Deutschen. Besonders große Angst haben 52 Prozent der Bevölkerung – weit mehr als vor Krankheit und unzureichender Rente (je 36 Prozent) oder vor Arbeitslosigkeit (25 Prozent). Davor, berufsunfähig zu werden, fürchten sich nur 23 Prozent der Menschen in hohem Maße.

Notwendigkeit zur Vorsorge wird gesehen, getan wird nichts
Vor diesem Hintergrund überrascht es zunächst wenig, dass 54 Prozent der Deutschen eine große oder sogar sehr große Notwendigkeit für zusätzliche private Vorsorge sehen und 51 Prozent meinen, man solle diese Vorsorge möglichst bis zum Alter von 30 Jahren getroffen haben. Allerdings: Der Vergleich mit der „Continentale-Studie 2007“, in der die Frage nach dem Vorsorgebedarf zum ersten Mal gestellt wurde, zeigt, dass die Bedeutung um zehn Prozentpunkte gesunken ist. Private Vorsorge wird also heute als weniger notwendig angesehen als noch vor vier Jahren. Und: Die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Deutschen es für notwendig hält, für den Pflegefall vorzusorgen, hat nichts mit der Realität zu tun. Denn nur zwei Prozent der Deutschen haben eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen.

Woran liegt das? Nicht am Preis, denn 38 Prozent wären bereit, mehr als 25 Euro für eine Pflegezusatzversicherung auszugeben – eine Summe, die für einen bedarfsgerechten Schutz in der Regel völlig ausreichend ist. Vordergründig liegt es auch nicht an mangelnder Informiertheit, denn mehr als die Hälfte fühlt sich „gut“ oder „sehr gut“ informiert.

Deutsche fühlen sich gut informiert, sind es aber nicht
Dass die Deutschen tatsächlich aber wesentlich schlechter informiert sind, als sie selbst glauben, zeigt sich bei der Frage nach Vorsorgeformen, die sinnvoll gegen die finanziellen Folgen von Pflegebedürftigkeit schützen. Zwar nennen 77 Prozent die Pflegezusatzversicherung an erster Stelle, aber auch andere Vorsorgeformen wie die private Rentenversicherung (69 Prozent), Sparen (66 Prozent), die Unfallversicherung (64 Prozent) oder Immobilienbesitz (61 Prozent) werden in hohem Maße als geeignet betrachtet.

Selbst die an letzter Stelle genannte Kapitallebensversicherung halten noch 52 Prozent der Deutschen für eine angemessene Absicherung. Für den Pflegefall stellt die private Pflegezusatzversicherung allerdings die einzige wirklich geeignete Vorsorgeform da. Alle anderen genannten Absicherungsmöglichkeiten sind entweder gar nicht heranzuziehen – wie die Unfallversicherung – oder basieren auf begrenzten Mitteln, die im Pflegefall nicht ausreichen oder schnell aufgebraucht wären.

Geringe Absicherung hat keinen konkreten Grund
Auch die dezidierte Frage, warum keine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen wurde, zeigt keinen konkreten Grund auf, sondern belegt nur eine diffuse Uniformiertheit. Denn jeweils von mehr als 50 Prozent genannt wurden Gründe wie „zu teuer“, „Versicherung zahlt im Ernstfall nicht“ oder „ich bin zu jung/zu alt für eine Pflegezusatzversicherung“.

Darüber hinaus vertrauen 58 Prozent der Deutschen darauf, dass sie der Partner oder andere Angehörige pflegen werden – was mindestens angesichts der Scheidungsquote von 50 Prozent eine unangemessen optimistische Einschätzung darstellt. Diese Haltung kollidiert zudem mit der größten Sorge beim Gedanken an den Pflegefall: An erster Stelle steht die persönliche Belastung der Angehörigen (83 Prozent). Deren finanzielle Belastung fürchten 79 Prozent. Nahezu gleichauf sind die Befürchtungen, die finanzielle Unabhängigkeit zu verlieren (80 Prozent) und schlecht medizinisch versorgt zu werden (81 Prozent). Angst vor Vereinsamung haben 71 Prozent.

Erschreckend uninformiert
Für Rolf Bauer, Vorstandsvorsitzender des Versicherungsverbundes Die Continentale, sind diese Ergebnisse besorgniserregend: „In keinem Bereich ist die private Absicherung so wenig ausgebaut wie in der Pflegeversicherung. Das war uns als Versicherer selbstverständlich schon vor unserer Bevölkerungsbefragung bekannt, wir konnten über die Gründe bislang allerdings nur mutmaßen.

Die Continentale-Studie zeigt allerdings in einer erschreckenden Klarheit, wie groß die Uninformiertheit der Deutschen tatsächlich ist. Denn es gibt ja keinen belegbaren Grund für die mangelnde Vorsorge, sondern nur ein diffuses Meinungsbild, das auf Unwissen basiert. Angesichts der Kostenexplosion im Bereich Pflege, die durch den demografischen Wandel und der damit verbundenen wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen unweigerlich auf uns zukommt, müssen Versicherer und Vermittler, aber auch die Politik, eindeutig noch stärker aufklären. Denn wie auch immer eine Reform der Pflegepflichtversicherung aussehen wird: Ohne private Zusatzversicherung wird es in Zukunft eine angemessene und würdige Pflege nicht mehr geben.“

Hintergrundinfos zur Studie:
Die „Continentale-Studie 2011“ wurde, wie schon in den vergangenen Jahren, in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest umgesetzt. Die Studie wird seit dem Jahr 2000 jährlich durchgeführt und beschäftigt sich stets in einem Schwerpunktteil mit aktuellen Fragen des Gesundheitswesens. Zur „Continentale-Studie 2011“ wurden bundesweit repräsentativ 1297 Personen befragt. (ir)
Quelle: FONDS professionell